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Longman and Broderip ca. 1785 für Charles Burney

Informationen

Datum: 1785

Herkunft: London

Seriennummer: ---

Zu den absoluten Raritäten weltweit zahlt dieser einzigartige Tangentenflügel der Firma Longman & Broderip, der für den berühmten Musikhistoriker, Komponisten und Musiker Charles Burney (1726 – 1814) gebaut wurde. Das Instrument besticht durch seinen herausragenden Klang und die handwerkliche Fertigung.

Der Korpus ist aus Mahagoni mit umlaufenden Intarsien aus verschiedenen farbigen Hölzern. Zu sehen sind Sujets mit verschiednen Blumen und Ranken sowie griechische Amphoren, die alle als farbige Intarsien gestaltet sind. Über der Tastatur sind ebenfalls Girlanden und verschiedene Blumen als Intarsien eingearbeitet. Die gesamte Dekoration kann als hervorragend und von höchstem künstlerischem Können eingestuft werden. Das Instrument liegt auf einem trestle-stand auf. Das Vorsatzbrett trägt auf einem Palisanderschild die Inschrift:

„Longman and Broderip

London

No. 26 Cheapside & No. 13 Haymarket“

Tangentenflügel Longman & Broderip c. 1785 - Eric Feller Collection (Tangent Piano) - Nameboard

Tangentenflügel Longman & Broderip c. 1785 – Eric Feller Collection (Tangent Piano) – Vorsatzbrett

 

Im Inneren befinden sind handschriftlich die Initialen J. W. sowie die Signatur:

“Made for Mr. Burney“

Die Tastatur hat einen Umfang von 5 Oktaven (FF – f3) und ist aus Elfenbein und Ebenholz gefertigt. Die Untertasten sind jeweils mit einer zusätzlichen Doppeleinkerbung verziert sind, die mit Eisengallustinte eingefärbt wurde. Dieses Detail ist als Verzierungselement bei Tastaturen von Cembali sehr gebräuchlich gewesen und findet sich hier als dekoratives Überbleibsel. Der Flügel verfügt über eine Tangentenmechanik mit hölzernen, unbelederten Tangenten und Einzeldämpfern. Unter dem Instrument befinden sich zwei Kniehebel für Dämpfungsaufhebung und Moderator. Der Steg ist durchgängig und nicht geteilt. Im Bassbereich ist der auslaufende Steg filigran als stilisierter Fischschwanz geschnitzt.

Portrait of Charles Burney by Joshua Reynolds 1781 - National Portrait Gallery London

Portrait of Charles Burney by Joshua Reynolds 1781 – National Portrait Gallery London

 

Aus der Signatur geht hervor, dass der Flügel für Charles Burney gebaut und von ihm direkt bei Longman & Broderip bestellt wurde. Burney, der durch seine Reisen auf dem europäischen Festland eine Vielzahl an Persönlichkeiten des musikalischen Lebens Ende des 18. Jahrhunderts und diverse Instrumentenbauer kennen lernte, muss so in Kontakt mit Tangentenflügeln gekommen sein. Zurück in der Heimat beauftragte er die Firma ihm ein solches Instrument zu bauen. Tangentenmechaniken waren bis dahin in England kaum bekannt. Lediglich einige wenige Instrumentenbauer (Frederick Beck, Humphry Walton, John Statman und Charles Trute) waren mit der Tangentenmechanik vertraut.

London war neben Wien und Paris Zentrum des Instrumentenbaus im 18. und 19. Jahrhundert. Mitte der 1760er Jahre wanderten einige Instrumentenbauer, mit meist deutschsprachigen Wurzeln, nach England aus und führten maßgeblich zu Entwicklung und Verbreitung des Fortepianos bei. Allen voran der deutsche Instrumentenbauer Johann Christoph Zumpe (1726 – 1790) aus Fürth.

In den 1750er Jahren wanderte er nach London aus und begab sich in die Werkstatt des bekannten Cembalobauers Burkat Shudi (1702 – 1773). Im Jahre 1761 gründete er einen eigenen Betrieb in der Princes Street und baute die ersten Fortepianos in England. Das älteste und datierte bisher erhaltene Tafelklavier in England stammt aus dem Jahr 1766. Die Instrumente von Zumpe waren alle zierlich gebaut und verfügen über eine einfache Stoßzungenmechanik (single action). Bisher gibt es jedoch noch keinen Beweiß, dass Zumpe nicht auch Instrumente mit anderen Mechaniken gebaut hat. Aufgrund seiner Herkunft ist es anzunehmen, dass er auch andere Mechaniken aus seiner Zeit in Süddeutschland kannte.

Der aus Sankt Petersburg stammende und in Neapel ansässige Klavierbauer Giacomo Ferdinando Sievers (1810 – 1878) schreibt in seinem Buch aus dem Jahre 1868

„Il Pianoforte. Guida pratica per Construttori, Accordatori, Dilettanti e Possessori di Pianoforti con 300 disegni parte intercalati nel testo e parte in apposito atlante di Giacomo Ferd. Sievers Fabbricante di Pianoforti in Napoli”, dass er 1828 in Riga mehrere Instrumente mit Tangentenmechanik repariert hat. Weiterhin beschreibt er auch sehr detailgenau die Tangentenmechanik, die Zumpe gebaut haben soll:

In England and Germany some harpsichords were made with jacks that struck two unison strings. In 1828, when I was in Riga, I repaired several of these instruments that had been made in Nuremberg in 1754. In England, during that period, Zumpe produced the same model with an intermediate lever. This maker covered the jacks with soft leather, thus they produced a faint but quite pleasant sound; those [percussive jacks] made in Germany were not covered with leather and produced a shrill sound. These jacks were placed inside a leathered guide, which looked like a comb, that was supported in order to allow space between the key and the jack; Zumpe’s intermediate lever was hinged on the back by means of a parchment.

 

Es ist nicht gesichert, ob Sievers in seiner Beschreibung wirklich Zumpe meinte oder evtl. einen anderen Instrumentenbauer. Möglich wären auch Instrumente aus Zumpes Werkstatt, die mit einer neuen Mechanik überarbeitet wurden. Unabhängig davon stellt dies jedoch eine der wichtigsten Quellen von Zeitzeugenberichte über die Tangenteninstrumente in England dar.

Aus England sind bisher nur drei Instrumente mit Tangentenmechanik bekannt (Stand: November 2019):

  • Tangentenklavier von Fredericus Beck ca. 1790 (Privatsammlung England),
  • Tangentenklavier Anonymus, vermutlich auch von F. Beck (Sammlung des Museums des College of Music in Osaka, Japan),
  • Flügelkorpus Anonymus, vermutlich England erste Hälfte des 19. Jh. (Sammlung Germanisches Nationalmuseum (Inv.: MINe 153, Nürnberg; vormals Sammlung Neupert).

Hierzu kommen jetzt noch die zwei englischen Tangenteninstrumente aus der Eric Feller Collection:

  • Tangentenflügel der Firma Longman & Broderip, London ca. 1785,
  • Tangentenklavier von Charles Trute, London ca. 1790

Die Entwicklung und Verbreitung der Tangenteninstrumente in Großbritannien ist recht vereinzelt geschehen. Die Instrumente in Tafelklavierform sind von ihrem Erscheinungsbild wie die typischen englischen Tafelklaviere gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Interessant ist, dass die Mechanik sich von der von Späth und Schmahl und ihrer Schüler unterscheidet.

 

Einen ausführlichen Artikel über Tangenteninstrumenten finden Sie in den Publikationen der Eric Feller Collection (klicken Sie hier)!

 

Weitere Forschungen zu dem Instrument dauern aktuell noch an!

 

Quellen:

  • AWOUTERS, M. – DE GEYSER, I. – VANDENBERGHE, S., Catalogus van de Muziekinstrumenten, Brugge, Gruuthusemuseum, 1985.
  • BAUER, Wilhelm A. – DEUTSCH, Otto Erich, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, vol. II, 1777-1779, New York, Bärenreiter, 1962.
  • BOALCH, Donald H., Makers of the Harpsichord and Clavichord 1440-1840, Oxford, Claredon Press, 1995.
  • BRUNNER, Hans, Das Klavierklangideal Mozarts und die Klaviere seiner Zeit, Augsburg, Filser, 1933
  • BURNEY, Charles, The present state of music in France and Italy, 2. Edition, London, 1773.
  • FORKEL, Johann Nicolaus, Allgemeine Litteratur der Musik oder Anleitung zur Kenntniß musikalischer Bücher, welche von den ältesten bis auf die neusten Zeiten bey den Griechen, Römern und den meisten neuern europäischen Nationen sind geschrieben worden, Leipzig, Schwickertschen Verlage, 1792.
  • CLARKE, Christopher, The English piano, in Music of the past: instruments and imagination. Actes des Recontres Internationales hormoniques, Lausanne, 2004, Bern-Berlin-Frankfurt-New York-Oxford-Wien, 2006, pp. 239-270.
  • CLINKSCALE, Martha Novak, Makers of the Piano 1700-1820, Oxford, University Press, 1993.
  • COLE, Michael, The pianoforte in the classical Era, Oxford, University Press, 1998.
  • DI STEFANO, Giovanni Paolo, Il Pianoforte in Sicilia. Storia e costruttori dal XVIII al XX secolo, tesi di laurea in Discipline dell’Arte della Musica e dello Spettacolo, Università degli Studi di Palermo, Facoltà di Lettere e Filosofia, relatore Prof. Amalia Collisani, 2003.
  • ESCHLER, Thomas Jürgen, Die Sammlung historischer Musikinstrumente des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Erlangen-Nürnberg, Wilhelmshaven, Noetzel, Heinrichshofen-Bücher, 1993.
  • GOBBETT, Aldo James, Fortepiano a tangenti (Tangentenflügel) Späth e Schmahl Regensburg 1790, in Strumenti per Mozart, a cura di Marco Tiella e Romano Vettori, Rovereto, Edition Longo, pp. 181-191.
  • HARDING, Rosamond E. M., The Pianoforte. Its History Traced to the Great Exhibition of 1851, Cambridge, University Press, 1978.
  • HENKEL, Hubert, Besaitete Tasteninstrumente. Deutsches Museum Kataloge der Sammlungen, Musikinstrumentensammlung, Frankfurt am Main, Bochinsky, 1994.
  • HERRMANN, Heinrich, Die Regensburger Klavierbauer Späth und Schmahl und ihr Tangentenflügel. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Bayerischen Friedrich-Alexanders-Universität Erlangen, Erlangen, Buchdruckerei Karl Döres, 1928.
  • JURGENSON, William, The importance of the Tangentenflügel to the Development of the German Piano, in Instruments à claviers – expressivité et flexibilité sonore. Actes des Recontres Internationales harmoniques, Lausanne, 2002, Bern, Peter Lang, 2003, pp. 55-61.
  • KLAUS, Sabine Katharina, Der Instrumentenmacher Johann Matthäus Schmahl (1734- 1793) im Spiegel der Ulmischen Intelligenzblätter, «Musica Instrumentalis», I, 1998, pp. 72-93.
  • KÖNIG, Johann Ulrich, Des Marchese, Scipio Maffei, Beschreibung eines neu erfundenen Claviceins auf welchem das piano und forte zu haben, nebst einigen Betrachtungen über die Musikalischen Instrumente, in Johann Mattheson, «Critica Musica», II, Hamburg, 1725, pp. 335-342.
  • LATCHAM, Michael, Mozart and the Pianos of Johann Andreas Stein, «The Galpin Society Journal», LI, 1998, pp. 114-153.
  • LATCHAM, Michael, Franz Jakob Spath and the Tangentenflügel, an Eighteenth-Century Tradition, «The Galpin Society Journal», LVII, 2004, pp. 150-170.
  • MARPURG, Wilhelm, Kritische Briefe über die Tonkunst, vol. II, Berlin, 1763.
  • MENGER, Reinhardt, Der Tangentenflügel – ein Fortepiano, in De musica et cantu, Studien zur Geschichte der Kirchenmusik und der Oper. Helmut Hucke zum 60. Geburtstag, Hildesheim, Zürich, New York, 1993, pp. 523-526.
  • RIECHE, Christiane, Der Späthsche Tangentenflügel, in «Händel-Hausmitteilungen», 1996/1, p. 24.
  • RIPIN, Edwin M.. – POLLENS, Stewart, Tangent piano, in The New Grove’s Dictionary of Music and Musicians, 2. Auflage, London, 2001.
  • SCHMID, Armin, „Waren mir dir spättischen Clavier die liebsten“. Orgeln. Tangenten – und Hammerflügel, Clavichorde von Späth und Schmahl in Regensburg für Kirche, Adel und Bürger, «Mälzels Magazin Zeitschrift für Musikkultur in Regensburg», IV/1, 2001.
  • SIEVERS, Giacomo Ferdinando, Il Pianoforte. Guida pratica per costruttori, accordatori, dilettanti e possessori di Pianoforti, Napoli, Stabilimento Tipografico Ghio, 1868.
  • TAGLIAVINI, Luigi Ferdinando, Giovanni Ferrini and his harpsichord ‘a penne e a martelletti’, in «Early Music», XIX, 1991, pp. 398-408.
  • THON, Christian Friedrich Gottlieb, Über Klavierinstrumente, Sondershausen, Bernhard Friedrich Voigt, 1817.
  • VOGEL, Benjamin, Two Tangent Square Pianos in Poland, «Journal of the American Musical Instrument Society», XX, 1994, pp. 84-110.

© Eric Feller – Early Keyboard Collection – November 2019

 

 

Länge: 205 cm

Breite: 98,5 cm

Höhe: 24,5 cm

Umfang: 5 Oktaven (FF – f3)

Mechanik: Tangentenmechanik mit unbelederten Tangenten

Pedale: 2 Kniehebel (Dämpfungsaufhebung, Moderator)

Signatur: „Longman and Broderip
London
No. 26 Cheapside & No. 13 Haymarket“
“Made for Mr. Burney“